Mitten im alten Westberlin, wo ganz früher mal das Romanische Café das Wohnzimmer der Literatur war, sprach ich mit Katrin Neumann in "HAUPTSTADTKULTliest" Folge 4 (Potsdam-TV) über Weinbau in Brandenburg und Leo Pauluths zweiten Fall. Auch Yama-Moto machte eine ganz passable Figur. 30 Minuten Tom-TV! Das Thema von Pauluthkrimi 3 kommt zur Sprache. Fragt sich nur, wo er erscheinen wird ...

 

 

Gräfin Dr. Barbara de Cosnac vom Internetmagazin Monumentum nostrum plädiert für eine Übersetzung der Langustierkrimis ins Französische und würde sich freuen, wenn ich meinen französischen Kollegen Jean-François Parot einmal persönlich kennenlernte. Gern - aber bitte mit Dolmetscher!

 

Hier geht`s zum sehr schönen Vergleichs-Artikel!

 

 

"Es ist nicht leicht, einen halbwegs plausiblen Mord hinzukriegen"

 

Die Histo-Couch im Interview mit Tom Wolf über Friedrich den Großen, Krimis und Langustiers Zukunft

 

 

„Es ist nicht leicht, einen halbwegs plausiblen Mord hinzukriegen“

Die Histo-Couch im Interview mit Tom Wolf über Friedrich den Großen, Krimis und Langustiers Zukunft

Histo-Couch: Herr Wolf, gerade ist der elfte Preußen-Krimi „Glutorange“ um den Zweiten Hofküchenmeister Friedrichs des Großen, Honoré Langustier, erschienen. Sein erster Fall „Königsblau“ erschien vor zehn Jahren im Jahr 2001. Wie sind Sie auf die Idee zu dieser Reihe gekommen?

Tom Wolf: Zuerst war es nur ein einzelner Krimi, der im 18. Jahrhundert in Berlin spielte. Ich war seit je ein Friedrich-Fan, daher wollte ich ein Buch schreiben, in dem Friedrich II. vorkommt. Krimis zu schreiben, hatte ich schon früher versucht, aber erst im Preußenjahr 2001 kam alles zusammen: Ich musste Geld verdienen und fand einen Verleger, der sich von einem „Preußenkrimi“ Gewinn versprach. Damals wusste ich noch nicht, dass Krimis nur zu Longsellern werden, wenn man gleich in Reihen denkt. Mein Verleger schlug daher gleich einen zweiten Band vor: „Purpurrot“. Damit war die Reihe geboren. Ich wählte mir ein zweites interessantes Jahr aus der Regierungszeit Friedrichs, und so ging es dann munter fort. Von „Purpurrot“ an war klar, dass die Reihe in den Jahren 1740 bis 1786 angesiedelt werden würde.

Histo-Couch: Ihr Ermittler ist der Zweite Hofküchenmeister des Königs, Honoré Langustier. Ist er eine reale Person oder fiktiv? Wie sind Sie ausgerechnet auf diesen Ermittler gestoßen?

Tom Wolf: Er ist fiktiv. Ich habe eine Zeit lang als Redakteur für die Zeitschrift „Häuptling Eigener Herd“ gearbeitet, deren Herausgeber der Starkoch Vincent Klink gewesen ist. Er stand Pate für die Figur des Honoré Langustier. Allerdings nur zu Anfang. Die Figur hat sich von Band zu Band verselbständigt.

Histo-Couch: Langustier fährt ja für den König und seine Gäste ordentlich auf. Woher stammen die Rezepte? Haben Sie die selber ausprobiert?

Tom Wolf: Teils, teils: Einiges ist historisch belegt. Der König hatte die Angewohnheit, täglich aus den Speisevorschlägen seiner zahlreichen Köche Gerichte auszuwählen oder welche hinzuzusetzen, um für sich und seine Gäste den Speiseplan selbst zusammenzustellen. Diese Küchenzettel sind archiviert und z.T. veröffentlicht. Als ich „Königsblau“ schrieb, gab es fast gar keine gedruckten Quellen. Nur einige versprengte uralte Aufsätze und Kapitel in Friedrich-Monographien. Inzwischen hat sich das Thema Friderizianische Küche schon fast zu einem Selbstläufer entwickelt. Vielleicht hab ich da das Feld vorbereitet, vielleicht war es aber ohnehin ein Thema allgemeinen Interesses. Nun, zum anderen, in den letzten Bänden weitaus größeren Teil sind Langustiers Kreationen aber auf meinem eigenen Herd entwickelt. Wie man Hasenpfeffer oder Rehrücken zubereitet, kann man in Kochbüchern oder im Internet nachlesen, wenn man nicht das Glück hat, einem Profi über die Schulter zuschauen. Ich koche seit meiner Studienzeit fast täglich und brauche daher für die Küchensequenzen meiner Langustierkrimis nur etwas die kulinarische Phantasie spielen zu lassen. Freilich ist immer Übertreibung dabei. Wenn es nicht zufällig irgendwo Hirschsteaks im Angebot gibt, muss ich zuhause das Wild meistens weglassen …

Histo-Couch: Im aktuellen Fall „Glutorange“ spielt auch die Malerei ein große Rolle. Malen Sie selbst und kennen sich mit den Techniken aus?

Tom Wolf: Malerei ist mir zu langsam. Zeichnung und Holzschnitt liegen mir mehr. Augenblicklich komme ich nur selten dazu. Aber ich kenne mich schon etwas aus mit den Dingen, über die ich schreibe. Hätte ich nicht Literaturwissenschaft und Philosophie studiert, wäre es sicher Kunstgeschichte gewesen. Ich kenne viele bildende Künstler persönlich und kann mir nichts Heimeligeres und zugleich Anregenderes vorstellen als ein Atelier.

Histo-Couch: Der Roman spielt im Umfeld von der sechstägigen Belagerung Berlins im Oktober 1760 während des Siebenjährigen Krieges. Wie sind Sie auf diesen Angriff gestossen, und wie schwer war dann die Verknüpfung mit einem Mord im Malermilieu?

Tom Wolf: Im Zuge der Recherchen für „Smaragdgrün“, 1759 angesiedelt, las ich 2004 von den Besetzungen Berlins in den Jahren 1757 und 1760. Schon damals nahm ich mir vor, einem der Preußenkrimis diesen spannenden historischen Rahmen zu geben. Die Besetzung 1757 dauerte nur einen Tag und war daher ungeeignet für einen Krimi, der ja doch etwas mehr an erzählter Zeit benötigt. Also 1760. Das Personal war an sich bereits so schillernd, dass ich kaum viel hinzuerfinden musste: Der besetzende General ein Lebemann, der eine Millionenerbin entführt hatte, der Berliner Stadtkommandant ein Feigling, die verteidigenden Generäle lädierte oder altersschwache Haudegen, der König einzig in Sorge um seine Kunst. Die Malerei kam wie von selbst hinzu. Friedrichs Kunstsammlungen lieferten den Berlineroberern aus Russland und Österreich die kostbarste Beute. Die Schilderungen der Verwüstungen im Schloss Charlottenburg enthielten so plastische Einzelheiten, dass es wie von selbst auf das Thema Kunstraub hinauslief. Der Kastellan Dauen schilderte etwa, dass er im Schlossgarten ein Bild gefunden hatte, dass die Russen bei ihrem Abzug verloren hatten – die berühmte „Rübenputzerin“ von Jean Siméon Chardin, die jetzt in der Münchner Alten Pinakothek hängt. Der für die Stadt so wichtige Kunsthändler und in vielerlei Hinsicht umtriebige Unternehmer Johann Ernst Gotzkowsky hat eine riesige Gemäldesammlung an die russische Zarin verloren, da er sonst seine Schulden nicht mehr hätte bezahlen können, in die ihn sein patriotisches Eintreten für die Stadt Berlin geführt hatte. Die beiden einzigen Bilder von Watteau, der „Laden des Kunsthändlers Gersaint“ und die Berliner Version der „Einschiffung nach Cythera“, die, wenn auch schwer verletzt, die Schreckenstage überstanden, haben heute allein einen unschätzbaren materiellen Wert und gehören zu dem Vornehmsten, was die französische Kunst des 18. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Sie sehen, der Stoff ballte sich quasi automatisch zusammen. Da die Reihe der Preußenkrimis eine einzige Palette von Farbtiteln ist, war auch die Wahl für dieses Mal nicht schwer: Viele Gebäude gingen bei stundenlangem Beschuss mit Brandbomben in Flammen auf, so lag „Glutorange“ nahe.

Histo-Couch: Die Farbtitel sind ja ein Kennzeichen der Reihe. Wie kommen Sie darauf, und haben Sie nicht Angst, dass Ihnen einmal die Farben ausgehen?

Tom Wolf: Ich hatte schon immer ein Faible für Farben. Farben sind so einprägsam. Als ich mich mit der Geschichte Preußens zu befassen begann, fielen mir die schier unendlich variierten Regimentsbanner, Flaggen und Wimpel auf und die bis ins Kleinste auf Unterscheidbarkeit und Identifizierbarkeit angelegten Uniformen. Man schlage das Standardwerk auf: Hans Bleckwenns „Friderizianische Uniformen“, und man findet alle Farben meiner Reihe.

Histo-Couch: Kommen wir noch mal zum „Alten Fritz“. Sie sagen, Sie seien ein Friedrich-Fan? Woher kommt das? Was fasziniert Sie so an ihm?

Tom Wolf: Er war ein Künstler, der das Unglück hatte, in eine Soldatenfamilie hineingeboren zu werden. Er hat das Beste aus seinem Schicksal gemacht und sich weder vom tyrannischen Vater noch von dessen machtgierigen Beratern unterkriegen lassen. Das ist das Faszinierendste an Friedrich für mich. Er war ein Autodidakt, der sich aus geistig einfachsten, gesellschaftlich wohl höchsten, familiär aber bedrückendsten Verhältnissen zu einem ästhetisch empfänglichen, selbstbewussten und befreiten Individuum emporgeschwungen hat.

Histo-Couch: In Ihren Romanen gibt es reale und fiktive Personen. Wie schwer ist es, diese stimmig zu kombinieren, und besteht nicht die Gefahr, die realen Personen zu „verbiegen“, damit sie in die Handlung passen?

Tom Wolf: Nehmen wir den König und Langustier: Ich kann mich durchaus leicht in die Figur eines aufgeklärten Potentaten hineindenken, der neben einem selbst vom Zaun gebrochenen Krieg und schier unendlichen täglichen Regierungsaufgaben munter isst und trinkt, musiziert, komponiert, Gedichte, kleine Stücke und Aufsätze schreibt, mit Literaten, Philosophen und Wissenschaftlern korrespondiert und in jeder freien Minute liest (bzw. sich Hörbücher anhört: damals noch live vorgelesen) oder Bilder betrachtet. Ich habe viel von und über den König gelesen und mir so eine gewisse imaginäre Innenperspektive angeeignet. Aber trotzdem ist mein Friedrich nicht der Friedrich, der einst gelebt, gedacht und gesprochen und gehandelt hat, sondern nur eine fiktive Figur. Genau wie der fiktive Koch, den ich mir teils vom lebenden Vorbild abgeschaut, teils aus eigener Phantasie zusammengesetzt habe.

Mit anderen Worten: Es gibt keine „realen Personen“ in den Romanen, weder in denen, die sich „historisch“ schimpfen, noch in meinen, die ich „historisierend“ nennen möchte. Ich erhebe daher nicht den Anspruch, irgendjemanden oder irgendwas so darzustellen, wie er oder es „wirklich“ war. Das wäre unmöglich und absurd. Freilich habe ich über dreißig Jahre lang Literatur des achtzehnten Jahrhunderts gelesen und mir die damalige Welt versucht vorzustellen. Ein paar bildliche Annäherungen sind mir also bestimmt gelungen. „Stimmigkeit“ aber kann ich zwar im Gesamtbild anstreben, indem ich mir ausmale, wie die ganze Personage, die ich mir ausgedacht habe, zusammenwirkt, wie man sich verhalten hat oder mit dem Leben oder einzelnen Problemen fertiggeworden ist – das Resultat bleibt dennoch immer mein geistiges Kammerspiel „Koch und König nebst illustrem halbphantastischem und pseudohistorischem Beiwerk“.

Ich habe den Sachverhalt, so wie ich ihn sehe, in einem längeren Aufsatz dargestellt, der vielleicht bald wieder auf meiner Website zu lesen sein wird, wenn ich jemals dazu komme, sie zu aktualisieren. Der Text heißt „Wieviel Fiktion verträgt der König?“ und befasst sich mit der grundsätzlichen Frage, was der Autor sogenannter historisierender Romane überhaupt macht und tut.

Histo-Couch: Im vorherigen Band „Kristallklar“ ist Friedrich am Ende gestorben. Nun erscheint ein Roman, der 1760, also 26 Jahre davor spielt. Wie behalten Sie den Überblick über Langustiers Biografie, wenn sie zeitlich springen müssen? Haben Sie einen Plan, oder haben Sie alles im Kopf?

Tom Wolf: Ich habe soweit alles im Kopf, glaube ich. Allerdings lese ich zur Sicherheit nochmals in den zeitlich naheliegenden Bänden nach. Es wäre unverzeihlich, wenn eine Person, die eigentlich schon tot sein müsste, wieder lebte oder – noch schlimmer – das Liebesleben meines Helden durch meine Unaufmerksamkeit durcheinander geriete.

Histo-Couch: Köche scheinen einen gewissen Schlag bei Frauen zu haben …Dafür spricht auch seine große Familie. In „Kristallklar“ führen Sie auch Gerardine de Lalande ein, Langustiers Urenkelin, die nun in einer eigenen Reihe, gewissermaßen als „Ableger“, sein Erbe fortsetzt, sprichwörtlich genommen. Wie kam es dazu?

Tom Wolf: Na ja, als Reihen-Autor fragt man sich: Was ist, wenn es nicht mehr weitergeht? Wenn das Interesse an dem Helden, dem Personal oder dem historischen Umfeld nachlässt, muss ich doch weiterhin mein Auskommen finden. Daher habe ich im Kreis der Nachfahren Langustiers schon frühzeitig nach einem würdigen Nachfolger Ausschau gehalten. Eine Nachfolgerin war freilich viel besser …In „Goldblond“ tauchte Gerardine von Beeren (Tochter von Honorés Enkel Honoré) zum ersten Mal auf. Die Romanhandlung spielt 1778, und sie ermittelt als Gehilfin des Uropas fleißig mit, schon damals unerschrocken und die Männerwelt durch burschikoses Auftreten und männliche Bekleidung: Hosen! um die Fasson bringend. Fast hätte sie den realen Doktor Heim geehelicht, aber der hat dann doch einen Rückzieher gemacht. In „Kreideweiß“, 1772 angesiedelt, wirbelte Gerardine rückwirkend als junges Mädchen durch die Szene . In „Kristallklar“, 1786, findet sie schließlich ihren über alles geliebten Mann, den Aeronauten Jerome de Lalande, mit dem sie erst in die postrevolutionären Vereinigten Staaten von Nordamerika aufbricht, später ins revolutionäre Frankreich wechselt, um 1793 nach Preußen zurückzukommen. Aber ich drifte ab …

Histo-Couch: Sie sind auch zeitlich etwas abgedriftet, als Sie Ihre Hansekrimis geschrieben haben. Wird es da noch weitere geben?

Tom Wolf: Das hat sich zufällig ergeben, nachdem mich der Begründer der Reihe, Frank Goyke, einlud, mich auch einmal mit dem spannenden Thema Hanse zu befassen. Da jeder Hansekrimi eine ehemalige Hansestadt zum Schauplatz macht, verfiel ich nach einigem Überlegen auf Goslar. Ich begeisterte mich seit jeher für Bergbau, und da kam mir der Streit zwischen der freien Reichsstadt und dem Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel um das Silber des Rammelsberges sehr entgegen. Die Frühe Neuzeit war schon zu Studienzeiten sehr interessant für mich, und es war daher keine völlige Abdrift. Ich wollte feststellen, ob ich mich auch im 16. Jahrhundert erzählerisch bewegen kann. Nach Goslar kam Salzwedel (Thema bei „Der Bierkrieg“ war ein Aufstand in der Altmark), und zuletzt wieder Goslar. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, und ich würde gern weitere Hansekrimis schreiben, doch im Augenblick sieht es nicht so aus, als ob der Verlag die Reihe fortsetzt.

Histo-Couch: Passend zur Preußenkrimi-Reihe ist auch ein Preußenkrimi-Kochbuch erschienen. Haben Sie da auch dran mitgewirkt und vielleicht alles mal vorgekocht?

Tom Wolf: Nein, das hat mit Langustier nichts zu tun.

Histo-Couch: Von „Königsblau“ gibt es auch eine Bühnenversion. Wird diese oft aufgeführt, und planen Sie weitere Bühnenversionen Ihrer Romane?

Tom Wolf: Etwa 50 Aufführungen bisher, es soll auch bald eine weitere Dramatisierung geben. Welcher Roman es sein wird, ist noch nicht entschieden.

Histo-Couch: Ihre ausführlichen und lesenswerten Anhänge lassen vermuten, dass Sie sehr penible Recherchearbeit betreiben. Wieviel Zeit verwenden Sie darauf, und wie lange brauchen Sie dann für den Roman?

Tom Wolf: Ich kann das nicht so genau sagen. Von der ersten Idee zu einem Roman bis zum ersten Satz vergehen oft mehrere Monate. Dann geht es mitunter sehr schnell. Der schnellste Langustier wurde in exakt 43 Tagen geschrieben. (Welcher das war, verrate ich aber nicht ...) Der langwierigste dauerte über ein Jahr. Das hatte allerdings auch äußere Ursachen: Als Stadtschreiber zu Rheinsberg hatte ich mit massiven technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Ohne PC und ohne Internet, 110 km bis zur nächsten Bibliothek, da musste sich die Sache verzögern. „Glutorange“ wurde in etwa einem halben Jahr geschrieben. Genauso lange dauerte auch die Recherche. Doch sie war nicht etwa dem Schreibprozess vorgeschaltet, sondern lief während des Schreibens ab. Das ist bei meinen Romanen immer so. Ich habe eine Idee, die sich dann durch Recherche teils modifiziert, teils verfestigt. Anschließend folgen verschiedene Dinge daraus, bei denen sich dieses Spiel wiederholt. Vieles muss verworfen werden, einiges (das Richtige!) bleibt übrig.

Histo-Couch: Hätten Sie Friedrich gerne mal getroffen, und sich dann natürlich auch von Langustier bekochen lassen?

Tom Wolf: Ja, das wäre was – wenn es den Göttern gefiele, mich in Sanssouci als Boten der Nachwelt vor ihn zu stellen. Was würde er mich fragen? Denn dass er die Fragen stellen würde, ist ja klar. Könige lassen sich nicht ausfragen. Vielleicht, wie es seinem Land ergangen sei? Ich glaube nicht, dass er es bedauern würde, dass es kein Preußen mehr gibt. Dazu war er zu sehr Realist. Ich könnte ihm auch etwas vorflunkern und erzählen, dass auch 300 Jahre nach seiner Geburt noch immer sein Königreich Preußen blühe, mit einem Kaiser Friedrich Georg I. als erstem Diener des Staates. Bestimmt würde er den Schwindel schnell bemerken und über den Scherz lachen. Dann müsste ich mit der Wahrheit herausrücken und ihm gestehen, dass alles, was von seiner Herrschaft noch übrig ist, ein paar Schlösser und Gärten sind, die gehegt und gepflegt und den Touristen vorgeführt werden. Ich müsste ihm die neue Weltordnung auseinanderklamüsern. Das würde eine lange Audienz, und ich weiß nicht, ob er am Ende noch Appetit hätte, um die Speisen der Mittagstafel zu genießen. Ich würde Langustiers Kochkünste freilich mit Freuden kennenlernen. Ich kenne die Haute Cuisine ein wenig, doch ich esse am liebsten einfach und herzhaft. Täglich könnte ich sie aber nicht aushalten – zu fett, zu scharf, zu ungesund. Der Arzt (Ritter Zimmermann), den Friedrich zuletzt rief, war sich sicher: Die Köche haben ihn umgebracht.

Histo-Couch: Gibt es eine Figur in Ihren Romanen, die Ihnen selbst nachempfunden ist oder Charakterzüge von Ihnen hat?

Tom Wolf: Nein.

Histo-Couch: Wissen Sie immer, wer der Mörder ist, wenn Sie einen Roman beginnen? Langustier wusste es in einem Roman selbst noch nicht genau, als er zu Ende des Romans die übliche Versammlung der Verdächtigen vor sich hatte und in Gegenwart des Königs den Mörder entlarven musste.

Tom Wolf: Sicher, das ist das erste, daran muss ich mich halten. Die einfachen Grundfragen lauten: Wer, was, warum, auf welche Art und Weise? Wüsste der Autor nicht mehr als die Figur, wäre alles bloß ein Stochern im Trüben. Allerdings sind oft immense technische Schwierigkeiten (zeitlich, personal, methodisch) zu überwinden, bevor sich eine Grundidee im Roman verwirklichen lässt. Es ist nicht leicht, einen halbwegs plausiblen Mord hinzukriegen. Der Detektiv muss freilich bis zuletzt im Zweifel bleiben, sonst ist die Spannung weg. Leserinnen und Leser dagegen dürfen schon mehr wissen als er.

Histo-Couch: Ihr Vater war Kriminalbeamter. Haben Sie viel von ihm gelernt, was Sie beim Krimischreiben anwenden können?

Tom Wolf: Leider war ich noch zu klein, um viel mitzukriegen. Manchmal hat er mich zur Wache und zu einzelnen Befragungen mitnehmen müssen, weil meine Mutter keine Zeit hatte, sich um mich zu kümmern – sie war auch berufstätig. Das sind nur verschwommene Erinnerungen, etwa an das spielerische Ausfüllen eines Personalbogens. Fingerabdrücke nehmen, Foto von vorn und im Profil …Gab es alles im 18. Jahrhundert noch nicht. Hat mir daher nichts gebracht. Aber die Aufregung bei großen Fällen (und die waren in der weltoffenen Kur- und Kongressstadt Bad Homburg in den Sechziger und Siebziger Jahren durchaus nicht selten) hat sich auch auf mich übertragen. Vielleicht war das ja eine Keimzelle meiner Krimibegeisterung.

Histo-Couch: Wollten Sie immer ausschließlich Krimis schreiben?

Tom Wolf: Nein, und ich will es auch künftig nicht. Ich habe mit Erzählungen und Gedichten in tausenderlei Literaturzeitschriften angefangen, eine Lovecraft-Parodie, satirische Ernst-Jünger-Stilübungen und eine Selberlebensbeschreibung verfasst. Mein Goetheroman ist bislang noch unveröffentlicht, ebenso meine aktuelle literarische Hauptaufgabe, zu deren Veröffentlichung ich nur jeden renommierten Verleger einladen kann. Es ist ein Roman, der im NS-Deutschland spielt. Einzelheiten gern gegen frankierten Rückumschlag.

Histo-Couch: Wie geht es weiter? Können und dürfen Sie uns etwas über die Zukunft von Honoré Langustier und Gerardine de Lalande verraten?

Tom Wolf: Nach einer Strategiesitzung im Verlag wurde eine Fortsetzung beider Reihen beschlossen, dahingehend, dass in jedem Jahr ein Roman erscheinen soll. Ich muss etwas kürzer treten, da ich sonst mein Haus niemals renovieren könnte …Zunächst wird Gerardine weitermachen: „Das siebte Signal“ heißt Band drei, Erscheinungstermin: September 2012. Im Anschluss legt Langustier mit „Rosa Pompadour“ nach – und reist ins Paris des Jahres 1757 …Erscheinungstermin: September 2013. Wie Gerardines im September 2014 erscheinendes Erinnerungswerk heißen wird? Keiner weiß es. Aber es wird kommen. Nur der letzte Langustier steht schon fest: Im September 2015 erscheint er unter dem Titel: „Violett. Langustiers Memoiren“. Gerardine kann es in ihrer Reihe aber noch weiter bringen. Man wird abwarten müssen.

Histo-Couch: Planen Sie irgend etwas Besonderes für das Friedrich-Jahr 2012?

Tom Wolf: Nichts, außer „besonders“ oft aus meinen Romanen vorzulesen.

Histo-Couch: Was machen Sie an Friedrichs 300. Geburtstag am 24. Januar 2012?

Tom Wolf: Gut essen und ein Glas Champagner (vin de sec) auf den König leeren! Ich könnte mir vorstellen, als Hauptgang die Langustier’sche Spezialität zuzubereiten: Kaninchen nach Art des Languedoc, dazu Macairekartoffeln und Feldsalat. Als Vorspeise eine Krebssuppe und zum Beschluss Creme Caramel.

Das Interview führte Carsten Jaehner.

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Tom Wolf im Antenne-Gespräch, Studio Perleberg, März 2012; Wolfgang Heidelk holte erstaunliche Bekenntnisse aus mir heraus. Man spürt deutlich, wie ich langsam auftaue und erfährt (fast) alles über mein Leben als Krimi-Autor.

 

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Interview anlässlich der Marburger Krimi-Tage

 

 

1. Das Krimi-/Thriller-Genre ist beliebter denn je. Die Lust an Geschichten

über das Böse, über kriminelle Taten scheint stetig zu wachen. Wie erklären

Sie sich diese Faszination? Und was macht für Sie den Reiz aus, Krimis zu

schreiben?

 

Der Literatur-„Markt“ hat sich wohl langsam über die Jahre so entwickelt; die Menschen sind ja nicht etwa böser oder krimineller geworden. Krimis liegen einfach neben den Histo-Schwarten haufenweise herum, um nebenbei gekauft und verschlungen zu werden. Ich glaube nicht, dass sich deswegen weniger E-Literatur verkauft. Das sind verschiedene Welten. Gelegentliche Brückenschläge nicht ausgeschlossen.

 

Mögliche populärpsychologische Deutung dennoch:

 

Heute ist es schwieriger denn je, ein gelingendes Verbrechen zu verüben. Man muss schon ziemlich cool sein. Jeder will ein cooler Typ sein, und der Bandit ist einfach der Coolste. Gilt für Typinnen und Banditeusen nicht minder. Es ist immer einfacher, man schaut sich die Coolness der anderen an, statt selbst vielleicht beim Versuch zu scheitern. Ob das nun echte Verbrechen oder erfundene sind, ist egal. Die erfundenen haben den Vorteil, dass sie schön übertrieben ablaufen können. Menschen (v.a. lesende) lieben gute Übertreibungen.

 

Faszination ist schwer erklärbar. Es bedeutet, dass einen etwas anzieht, man aber doch davor zurückschreckt (mich „fasziniert“ etwa die historische Erscheinung des "Fascismo" in Italien, von dem das Wort kommt. Wegen der hübschen schwarzen Hemden? Ich trage schwarze T-Shirts. Dennoch würde ich nie zum Faschisten ...) Ich vermute mal, dass es im Falle von Kriminalromanen das Verbrechen ist, das die Leserinnen und Leser fasziniert. Perfide Mordstrategie oder simple, hochwirksame Brachialgewalt. Raffiniert konstruierte Vertuschungsszenarien, Einbruchspläne von kristalliner Klarheit ... (Als Schriftsteller hätte ich’s freilich viel lieber, wenn Sprache, Erzählstil oder das Genie des Autors die „Faszinosa“ wären ... man darf ja fromme Wünsche haben ;-) Die konditionierte, unfreie, vom Leben gebeutelte Leserschaft sehnt sich insgeheim danach, einmal den rechtsfreien Raum zu betreten (als Verbrecher, als Polizist, als Privatdetektiv, als Schaulustiger). Faszinosum rechtsfreier Raum – es gibt ihn, aber man lebt meist zu bieder, um ihn kennenzulernen. Obwohl man es insgeheim möchte: „mal so richtig über die Stränge schlagen“. Eine Bank ausrauben! Einen umlegen. Den Chef! Die Krimis bieten gefahrlose Möglichkeit, vieles einmal durchgespielt zu sehen. Kostenpunkt: 9,90 €.

 

 

2. Wie kam es zu Ihrem außergewöhnlichen Protagonisten?

 

Gespräch mit meiner Nichte am 23. September 2000 im mexikanischen Restaurant beim Essen von köstlichem Kaktus. / Erinnerung an einen Koch, den ich kannte. / „Faszinosum Preußen“. Eingebung von Gott, der versuchte, mich zu bestechen; bin 2007 trotzdem aus der Kirche ausgetreten.

 

 

3. Woher kommt die Inspiration? Was weckt Ihre Aufmerksamkeit, so dass Sie

darüber schreiben wollen?

 

Ich bin wie der Name schon sagt, ein Ungläubiger. Daher lehne ich es ab, zu „glauben“, eine höhere Macht schriebe durch mich, indem sie mich „inspirierte“. Aber ich kann wiederum nicht erklären, woher die erste Idee zu irgendeiner Geschichte kommt. Mir gehen immer 1000 Sachen durch den Kopf, ich weiß nicht, woher sie kommen. Manches schnappe ich beim Lesen auf, anderes sehe ich draußen in Stadt, Natur oder im Film. Mitunter träume ich auch von Geschehnissen. Die entscheidende Auswahl für eine Geschichte erfolgt zufällig. Beim Joggen oder anderen geistlosen Tätigkeiten. Ein Parapsychologe erzählte mir einmal vom Fall eines Detmolder Bademeisters, der in einem Maschinenraum Spuk beobachtete, schon seit Jahren. Die angerückten Prapsychologen aus Freiburg hatten Messgeräte installiert und einen Tag lang nichts ... „festgestellt“ ... Kaum waren die Apparate vom Netz, spukte es! Etwas schwebte frei im Raum. So ist es mit den ersten Ideen. Sie kommen, wenn ich nicht damit rechne. Mit schöner Regelmäßigkeit dann, wenn die Sache (das „Längere Gedankenspiel“; Arno Schmidt)im Fluss ist. Das Gehirn produziert nach dem Start eines solchen längeren Gedankenspiels – wenn es sich denn als spielbar und erfolgversprechend erweist: wenn ich dranbleiben will – die weiteren Ideen selbst. Es sind so viele, dass die Hauptarbeit darin besteht,zu kanalisieren, zu planen, alles Unnötige wegzulassen. Dabei kommen weitere Ideen. Was nicht verwendet wird, bleibt im Fundus für den nächsten Roman.

 

 

4. Lesen Sie selbst Krimis von Kollegen und gibt es Lieblingsautoren oder

Vorbilder?

 

Gerade habe ich zum zweiten Mal die Gesammelten Holmes-Romane und Erzählungen von A.C.Doyle „verschlungen“. Die Sayers. Eine Zufallsauswahl der übrigen Klassiker. Wen ich zudem bewundere: Jean-Claude Izzo.

 

5. Was fasziniert Sie so an der Zeit Friedrich des Großen, das es zu einer

historischen Krimiserie kam?

 

(Zu „Faszination“ siehe oben). Das 18. Jahrhundert war der literarische „Neubeginn“ in Deutschland, nach einzelnen Spitzenleistungen im Barock (Grimmelshausen). Es war in Europa die Zeit der „Großen Romane“ (Fielding, Defoe, Richardson, Sterne). Ich habe zu Studienzeiten viele dieser Romane gelesen. Auch deutsche, selbstverständlich. Das 18. Jahrhundert war (zu 89%) die Zeit „vor der großen Revolution“ – es war die Zeit, in der es (für mich) nur eine interessante Herschergestalt gab – F2: philosophisch interessiert, sarkastisch, kynisch, im besten Sinne freidenkerisch. Dass er den Tod vieler Zehntausende herbeiführte, steht auf seiner Kehrseite. Als ich „Königsblau“ schrieb, musste ich mich in wenigen Monaten auf diese „Zeitreise“ vorbereiten, das war eine echte Herausforderung. Als es beim ersten Roman keine Havarie gab, führte ein Buch zum nächsten. Der Held wollte weiterleben, der Verlag wollte weiterleben ... und ich auch. Alle sind reicher geworden ... V.a.: Ich lebe noch, wie schön! Friedrich dem Großen, und dem wachsenden Interesse an seiner „Größe“ sei Dank!

 

 

Der historische-romane.de -Fragebogen

 

 

Welches Buch lesen Sie gerade?

 

Yves Saint Laurent. Die Biographie von Alice Rawsthorn

 

Was ist Ihre liebste Romanfigur und was verkörpert sie für Sie?

 

Uncle Bascom in Thomas Wolfes "Von Zeit und Strom"; so werde ich mal in zwanzig Jahren sein, eine schön-schaurige Vorstellung ...

 

Wie sieht ein perfekter Tag für Sie aus? Womit verbringen Sie gerne Ihre Zeit?

 

Eine gute Idee haben, ein schönes Projekt daraus machen, ohne Störung arbeiten können (und freilich: joggen, Motorrad fahren, spazierengehen, faul in der Sonne liegen, kochen, Freunde bewirten, ach ja: und sehr viel lesen)

 

Was ist Ihr nächstes Reiseziel?

 

Erst Ochsenwang (Schwäbische Alb), dann Brighton (GB)

 

Wie würden Sie sich mit drei Worten beschreiben?

 

Glücklicherweise noch lebendig

 

Was würden Sie in der Welt verändern, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?

 

Zigaretten und Lautsprecher abschaffen

 

Ihr schlimmster Albtraum?

 

Morgen Roman-Deadline ...

 

Was macht den Reiz beim Schreiben aus?

 

Vor mich hinfabulieren zu können, Dinge zu erfinden, Erfundenes und Recherche mischen.

 

Was möchten Sie Ihren Lesern mitgeben?

 

Eigentlich nichts (klappt aber nicht:), kriegen trotzdem immer alles ...

 

Wie gehen Sie vor, wenn Sie ein neues Buch beginnen und dafür recherchieren?

 

Viel lesen, warten, dass im Kopf was passiert. Losschreiben, viel wieder vergessen.

 

Was tun Sie bei einer Schreibblockade? Oder kennen Sie dieses Problem gar nicht?

 

Jar nich ignorieren (wie es in Berlin heißt). In der Praxis: Mit einem echten Menschen sprechen; funktioniert immer.

 

Worüber können Sie sich so richtig freuen?

 

Über eine gute Rezension; über einen guten Einfall; darüber, dass ich 6 Monate nichts tun muss (passiert selten)

 

Welcher Autor hat Sie maßgeblich beeinflusst?

 

Thomas Wolfe; Alfred Döblin; Arno Schmidt, Siegfried Lenz, Eduard Mörike, JWG, Truman Capote u.1000 a.m.

 

Sind historische Romane geeignet Bildung zu vermitteln? Haben Autoren hier eine besondere Verantwortung?

 

Bilden kann man sich nur durch vielfältiges (Quellen-)Studium, im Roman bekommt man bloß einen mehr oder minder gut aufbereiteten Absud; Romanautoren sollen unterhalten; wenn das halbwegs geistreich geschieht, ist es gut. Ihre Verantwortung besteht v.a. darin, keinen zu großen Unsinn zu verzapfen.

 

Welche historische Person würden Sie gerne einmal persönlich treffen?

 

Friedrich II von Preußen

 

Haben Sie schon ein neues Projekt? Können Sie uns ein bisschen darüber erzählen?

 

Ja. Nein.

 

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